Biografie
Christian Vassilev ist ein Musikphilosoph, dessen Forschung Phänomenologie, Semiotik und Geisteswissenschaften miteinander verbindet. Als FWO-Postdoktorand an der KU Leuven untersucht er, wie die frühe Musikwissenschaft und Psychologie sowie Musiker des frühen 20. Jahrhunderts Probleme des musikalischen Erlebens und der Aufführung behandelten – Fragen, die bis heute aktuell sind. Seine Arbeit verortet musikalische Kreativität in einem weiteren philosophischen und psychologischen Kontext.
Christian promovierte 2023 in Musikwissenschaft an der Nationalen Musikakademie „Prof. Pancho Vladigerov“, wo er auch seinen Masterabschluss erwarb.
Seine Forschung wurde unter anderem in Philosophy of Music Education Review, Acta Semiotica Fennica und Bulgarian Musicology veröffentlicht. Er hat auf Konferenzen in Griechenland, Deutschland und Bulgarien vorgetragen und ist Mitglied mehrerer Fachgesellschaften. Neben seiner Forschung ist er Herausgeber der Reihe Musical Philosophy beim Riva Verlag und hat Kurse in Musikästhetik, Musikpsychologie und Philosophie unterrichtet.
Forschungsgebiete
musikalische Phänomenologie, Semiotik, Musikpädagogik, Psychoanalyse, Musikpsychologie
Publikationen
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“The Whole City Must Never Cease Singing”: Plato and the Community of the Musical Nomos
In: Philosophy of Music Education Review
Zusammenfassung
Dieser Beitrag untersucht die grundlegenden Prinzipien von Platons Bildungsphilosophie, insbesondere seine Sicht auf eine Praxis mit großem pädagogischem Potenzial: die gemeinschaftliche musikalische Teilhabe. Nach Platon kann Musik den Einzelnen und die Gemeinschaft auf die kosmische Harmonie einstimmen; dies ist wiederum der einzige Weg, eine Gemeinschaft zu bilden und zu erhalten. Der Beitrag erörtert, wie die Konzepte Ethos und Nomos genutzt werden, um die Rolle der Musik für die Kohäsion der Gemeinschaft zu erklären. Er argumentiert, dass Platons Verständnis der Kraft unmittelbarer und vorreflexiver Teilnahme an Musik wertvolle Einsichten für die zeitgenössische Philosophie der Musikpädagogik liefern kann. Das Konzept des Nomos ermöglicht es Musikpädagog*innen insbesondere, diesen Bezugsrahmen zu nutzen, um die Rolle der Musik bei der Konstitution von Gemeinschaften besser zu verstehen.
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Methodological Foundations of Eero Tarasti's Musical Semiotics
Semiotic Society of Finland, Helsinki
Zusammenfassung
Das Buch ist eine Einführung in Eero Tarastis Arbeiten über Musik sowie in die musikalische Semiotik im Allgemeinen. Es umfasst ein breites Spektrum an Quellen aus verschiedenen Disziplinen, um den Leser mit der grundlegenden Terminologie und den gemeinsamen Bezugspunkten semiotischer Untersuchungen in der Musik vertraut zu machen. Beginnend mit den Grundlagen der strukturalistischen und peirceschen Semiotik, der Diskurstheorien, der Topic Theory und anderer Ansätze sowie deren Anwendung auf Musik, geht das Buch dazu über, deren Interpretation im jahrzehntelangen Œuvre Tarastis zu erörtern.
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Musical-philosophical analysis of the phenomenon of "wholeness" in music. A phenomenological approach
Zusammenfassung
Die Dissertation untersucht das Phänomen der „Ganzheit“ in der Musik aus einer musik-phänomenologischen Perspektive und wirft zugleich die Frage nach den methodischen Grundlagen auf, die den Zugang der Musikphänomenologie zu diesem Phänomen ermöglichen. Die zentrale These lautet, dass das Ich sich zunächst mit der Musik identifizieren muss, um Ganzheit in ihr wahrnehmen zu können. Musikalische Erfahrung legt nahe, dass musikalische Ganzheiten keinen musikalischen Sinn besitzen, wenn das sie wahrnehmende Ich sich nicht mit ihnen identifiziert. In dieser Identifikation sind das Ich und die Musik jedoch nicht mehr getrennt — etwa als Pole in einer Subjekt-Objekt-Struktur —, sondern eins. Folglich zeigt eine musik-phänomenologische Analyse des Phänomens „Ganzheit“ in der Musik die Ganzheit nicht als Eigenschaft der Musik als „Objekt“, sondern als Eigenschaft der Beziehung zwischen Ich und Musik. Musikalische Ganzheit ist die Ganzheit der Beziehung zwischen Ich und Musik. Die Arbeit bestätigt diese Position anhand von lebensweltlichen Zeugnissen zahlreicher bedeutender Musikpraktiker und -theoretiker des 19. und 20. Jahrhunderts und schreitet sodann zu einer phänomenologischen Analyse fort, um die musikalische Ganzheit als grundlegende Gegebenheit der Musikphänomenologie herauszustellen.
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Die organische Ganzheit in Heinrich Schenkers Lehre
In: Българско музикознание
Zusammenfassung
Das Thema der organischen Ganzheit in der Musik steht im Zentrum von Heinrich Schenkers Lehre. Nach dem frühen Schenker ist Musik nicht organisch, da ihr Kausalität und Logik fehlen; ihre gesamte Wirkung beruht jedoch darauf, dass sie der natürlichen Organik nachahmt. In seinen späteren Schriften erkennt der Theoretiker die Musik als organisches Ganzes, das auf natürlichen Gesetzmäßigkeiten beruht. Im gesamten Verlauf seiner Lehre von der Ganzheit versteht Schenker die Organik als eine „objektive“ Gegebenheit, die ihrem Wesen nach unabhängig von jeglicher bewusster oder subjektiver Tätigkeit ist. Das Bewusstsein kann das organische Ganze nur verfälschen; daher müssen Komponist oder Interpret, wenn sie die musikalische Ganzheit erfassen wollen, der Musik instinktiv und nicht bewusst begegnen. Der Instinkt ist jedoch, so Schenker, ebenfalls natürlich vorgegeben – er ist eine Gabe und letztlich eine Frage der Genialität, einer Genialität jedoch, die auf Gesetzmäßigkeiten beruht, die vollständig in der objektiv vorgegebenen Natur liegen. Auf diese Weise reduziert sich die Rolle des Ichs in Beziehung zur Musik – des Komponisten, Interpreten oder Hörers (einschließlich des Analytikers) – auf das „passive“ Bezeugen der der Musik immanenten Organik. Wenn ein Subjekt die Ganzheit in der Musik wahrnimmt, ist dies die Folge seiner vollständigen (instinktiven) „Durchdrungenheit“ vom organischen Ganzen.
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The Phenomenon of Musical Identification. A View From Heidegger's Early Phenomenology
In: Horizon. Studies in Phenomenology
Zusammenfassung
Ausgangspunkt des vorliegenden Artikels sind Aussagen verschiedener herausragender Musiker des 20. Jahrhunderts, die vom Lebenserlebnis der musikalischen Identifikation zeugen, d.h. von der Erfahrung der Einheit und Einswerdung mit der Musik. Ziel des Artikels ist es, die phänomenologischen Implikationen dieses Erlebnisses auf der Grundlage von Martin Heideggers früher phänomenologischer Arbeit zu untersuchen. Der Artikel vergleicht Heideggers frühes Verständnis der phänomenalen Gegebenheit mit demjenigen von Edmund Husserl. Während Husserl die phänomenale Gegebenheit als durch das (transzendentale) Bewusstsein konstituiert betrachtet, findet Heidegger die primäre Gegebenheit in der Resonanz (Mitschwingen) zwischen dem Ich und seiner Lebenswelt. Ich argumentiere, dass in Heideggers früher Phänomenologie nicht das Subjekt, sondern vielmehr die relatio zwischen Ich und Welt dasjenige ist, was die Gegebenheit „konstituiert“. Diese Sichtweise ermöglicht es, musikalische Identifikation als Lebenserfahrung zu erforschen. Musikalische Identifikation suspendiert die Differenz zwischen Subjekt und Objekt. In der musikalischen Identifikation ist es die Beziehung zwischen „Ich“ und Musik, die für beide konstitutiv ist. Daher kann Musik in phänomenologischen Begriffen nicht adäquat erfasst werden, wenn sie einfach als Objekt betrachtet wird – eine Prämisse, die für traditionellere phänomenologische Ansätze zur Musik, wie die von Roman Ingarden und Mikel Dufrenne, kennzeichnend ist. Sowohl Ingarden als auch Dufrenne positionieren die Musik in Distanz zum Subjekt, als etwas, das in seinen objektiven Eigenschaften untersucht werden soll, ohne die konstitutive Beziehung zwischen beiden vorauszusetzen. Im Gegensatz dazu erkennen Hans-Heinrich Eggebrecht, Günther Anders und Ilja Jonchev, dass die Subjekt-Objekt-Spaltung für die Untersuchung des musikalischen Erlebens unzureichend ist. Während Eggebrecht letztlich innerhalb der Subjekt-Objekt-Dichotomie verbleibt, entwickeln Anders und Jonchev die Idee des musikalischen Mitsein, des Seins-mit-Musik, das die Subjekt-Objekt-Prämisse gänzlich aufgibt und das musikalische Lebenserlebnis als eine Seinsweise interpretiert, in der sich das Selbstverständnis und der musikalische Sinn decken.
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Социални проекции в часа по музика
Издателство НМА "Проф. Панчо Владигеров'', София
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Antheil and Musical Wholeness in the Work of A. B. Marx
In: Almanac - National Academy of Music ``Professor Pancho Vladigerov''
Zusammenfassung
Ein zentrales Thema im Werk von Adolf Bernhard Marx ist die Idee, dass Musik nur für denjenigen Sinn hat, der an ihr „teilnimmt“. Nach Marx steht der musikalische Antheil – d.h. das partizipatorische „Dazugehören“ – im Fundament jeder musikalischen Tätigkeit wie Komponieren, Aufführen oder Hören (einschließlich analytischen und kritischen Hörens) in ihrer Authentizität. Das deutsche Wort Ant(h)eil verweist auf den teilhabenden Charakter dieser Beziehung – die Person oder das Ich, das sich auf Musik bezieht, „hat Anteil“ an ihr, ist ihr wesensmäßig zugehörig. Im Denken von Marx umfasst der musikalische Antheil sowohl die geistige als auch die sinnliche Seite des Menschen, d.h. er involviert die Ganzheit der Person. Umgekehrt besitzt auch die Musik eine „innere“, geistige Seite – ihren Inhalt oder ihre Idee – und eine „äußere“, sinnliche Seite – ihre Form. Das musikalische Ganze ist nach Marx die Einheit von Inhalt und Form, die jedoch stets den Antheil des Ich an diesem Ganzen einschließt. Somit ist Antheil ein grundlegender Aspekt der musikalischen Ganzheit selbst – nur im Ich, das an der Musik teilnimmt und ihr „zugehörig“ ist, kann Musik „ganz“ sein. Marx’ Auffassung des musikalischen Antheil kann daher als eine Entsprechung dessen verstanden werden, was im folgenden Text als musikalische Identifikation bezeichnet wird – der lebendige, unmittelbare Zustand der Identifikation zwischen dem Ich und der Musik. Musikalische Identifikation ist eine primäre Bedingung für das Verstehen des musikalischen Inhalts und, in weiterer Folge, der musikalischen Form. Musikalische Ganzheit ist somit nicht nur eine Eigenschaft der Musik selbst, sondern eine Eigenschaft der Beziehung zwischen dem Ich und der Musik.
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Музикално развитие и музикално образование
Riva, Sofia
Zusammenfassung
Musikalische Entwicklung und musikalische Bildung bietet eine komprimierte, experimentell untermauerte Darstellung der musikalischen Entwicklung von Kindern und ihrer Bedeutung für die Pädagogik, mit Fokus auf den „Situations-“ und den „Regulations“-Problembereich der modernen Schule. Das Buch gliedert sich in acht Kapitel: eine methodologische Einführung in kognitive Ansätze (Chomsky, Piaget, Bruner; Geist–Gehirn) und eine kritische Sicht auf den Behaviorismus in der Bildung, gefolgt von thematischen Teilen. Vorgestellt werden stufenbasierte Modelle der musikalischen Entwicklung (Gardner; Swanwick–Tillman; Hargreaves) sowie Theorien des musikalischen Denkens von Kindern (Serafine; Bamberger) mitsamt ihren didaktischen Konsequenzen. Erörtert wird die frühe Wahrnehmung (pränatal und im Säuglingsalter) in Bezug auf spektrale und zeitliche Strukturen. Eine Schlüsselachse bildet die musikalische Enkulturation – wie Kultur Wahrnehmung prägt und wie Unterricht die „Codes“ zwischen westlicher und traditioneller Musik erweitern kann – mit besonderer Relevanz für Bulgarien. Die Schlusskapitel fassen den Einfluss von Ausbildung auf Kompetenz und die Unterschiede zwischen Musikerinnen und Nicht-Musikerinnen zusammen, die Beziehungen zwischen Musik und Sprache (phonologische Orientierung, Dyslexie) sowie die Mechanismen musikalischer Emotion. Das Buch ist ein praxisnaher Leitfaden für Lehrkräfte und Forschende mit unmittelbarer Unterrichtsrelevanz.
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Methodological Foundations of Eero Tarasti's Musical Semiotics
Semiotic Society of Finland, Helsinki
Zusammenfassung
Das Buch ist eine Einführung in Eero Tarastis Arbeiten über Musik sowie in die musikalische Semiotik im Allgemeinen. Es umfasst eine Vielzahl von Quellen aus unterschiedlichen Disziplinen, um den Leser mit der grundlegenden Sprache und den gemeinsamen Bezugspunkten semiotischer Untersuchungen in der Musik vertraut zu machen. Beginnend mit den Grundlagen der strukturalen und peirceschen Semiotik, der Diskurstheorien, der Topic-Theorie und anderer Ansätze sowie deren Anwendung auf Musik, geht das Buch dazu über, deren Interpretation in Tarastis jahrzehntelangem Œuvre zu erörtern.